Bekanntlich entstand durch Fusion der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg (EKiBB) mit der Evangelischen Kirche der schlesischen Oberlausitz (EKsOL) zum 1.1.2004 eine neue Landeskirche im Osten Deutschlands. Die somit neu entstandene Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) ist seither eine von 20 Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Weniger bekannt hingegen ist die schriftliche Überlieferung der ehemaligen EKsOL. Einer der Hauptgründe dafür ist die bislang (noch) nicht erfolgte Erschließung und Verzeichnung wichtiger Archivbestände dieser Provinzialkirche. Im Rahmen eines Pilotprojekts wurden nun, d.h. im Jahr 2025, mit der „Provinzialsynode“ (Bestandssignatur: EKsOL 10) und der „Kirchenleitung“ (Bestandssignatur: EKsOL 11) erste EKsOL-Bestände im Archivinformationssystem des Evangelischen Landeskirchlichen Archivs in Berlin (ELAB) digital erfasst und über die Erstellung zweier ausführlicher Findbücher der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Blick in Archivmagazin des Ev. Zentrums Görlitz (Foto des Verfassers).
Dabei ist die Geschichte jener hier besprochenen, in Görlitz zentrierten Provinzialkirche alles andere als farblos und unbedeutend: Als Produkt des Zweiten Weltkriegs und der damit verbundenen Abtretung schlesischer Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie nach 1945 änderte die „restschlesische“ Provinzialkirche 3 Mal ihre offizielle Bezeichnung. So hieß sie unmittelbar nach 1945 „Evangelische Kirche von Schlesien“. Diese umfasste in personeller wie in territorialer Hinsicht ca. 10 Prozent der ehemaligen preußischen Kirchenprovinz Schlesien. 1968 geriet jene Provinzialkirche durch den Verweis auf Schlesien in den Verdacht des Revanchismus. Auf Druck des SED-Regimes musste fortan der Name „Evangelische Kirche des Görlitzer Kirchengebietes“ verwendet werden. Der neue Name akzentuierte die gewichtige Bedeutung der Stadt Görlitz für die Raum- und Verwaltungsordnung innerhalb der Evangelischen Kirche der Region. Und eben jene Region, d.h. die schlesische Oberlausitz, geriet als Ganzes wiederum bei weiteren strukturellen Veränderungen in den Blick, so dass 1992 aus der „Evangelischen Kirche des Görlitzer Kirchengebietes“ die „Evangelische Kirche der schlesischen Oberlausitz“ (EKsOL) wurde. Die politischen Verhältnisse nach der Friedlichen Revolution von 1989/90 hatten diesen neuen Namen ermöglicht.
Lange Zeit hatte man zuvor intensiv und kontrovers diskutiert als die EKsOL schließlich zum 1. Januar 2004 mit der „Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg“ (EKiBB) fusionierte.
Die Geschichte der EKsOL hinter der soeben knapp angerissenen Geschichte ihres Entstehens und Vergehens ist freilich so komplex wie das Leben selbst. Sie hat wesentlich – das wird bereits durch die Namensänderungen sowie durch Gebietsveränderungen im Osten deutlich – mit Identitätsfindung und Selbstvergewisserung unter den Bedingungen der Nachkriegsordnung und der deutschen Teilung zu tun.
Die eingangs erwähnten Archivbestände der Provinzialsynode und der Kirchenleitung legen Zeugnis ab, z.B. über historische Dynamiken, über Entwicklungsprozesse, kirchliche Strukturen und Personen.
Der Bestand „Provinzialsynode“ umfasst dabei 474 Verzeichnungseinheiten und deckt den Zeitraum 1920-2004 ab. Die Überlieferung bemisst sich auf ca. 5 laufende Regalmeter. Besonderheit hierbei sind 212 Audiokassetten, die Aufzeichnungen der Provinzialsynoden aus den Jahren 1992-2003 beinhalten. Die digitale Langzeitarchivierung jener Tonbandkassetten ist für 2026 geplant.
Im Bestand „Kirchenleitung“ (Laufzeit: 1945-2003) sind innerhalb von ca. 2 laufenden Regalmetern 54 Verzeichnungseinheiten vorhanden. Seine Besonderheit liegt in der 29-bändigen Überlieferung sämtlicher Protokolle der Kirchenleitung seit 1945.
Für beide Bestände liegt nunmehr ein, im Archivinformationssystem des ELAB hinterlegtes Findbuch im PDF-Format vor.
